Bachs Johannes-Passion BWV 244/ Leipzig 1724

Im Jahre 1723 trat Johann Sebastian Bach die Stelle als Kantor an St. Thomae in Leipzig. Wie viel himmlischen Klang hat Bach in unsere Welt gebracht! In seinem ersten Jahr, also vom 1. Sonntag n. Trinitatis bis zum Trinitatisfest 1724 führte Bach nur eigene Werke auf. In Zahlen: 60 Kantaten in den Frühgottesdiensten, 59 zu bespielende Sonn- und Feiertage. Bereits 1724, also vor 300 Jahren, schuf er die Johannespassion BWV 245, später die doppelchörige Matthäus- Passion. Jedes Jahr ist mein Herz von neuem erschüttert und getröstet. Da komponierte Bach Zittern und Zagen aus den Bögen der Geigen. Oder: Den Frauenstimmen wird der Boden unter den Füßen weggezogen, als unvermittelt der fundierende Generalbass wegbricht, die Stelle als Jesus stirbt und sich gleichsam der Boden öffnet. Oder: Da ist das Greinen des Petrus nach seiner Verleugnung an Jesus und bringt den Tenor an das eigentlich nicht mehr Singbare, die Stimme soll schier verzagen. Die Verleugnung trifft einen wahnsinnig gewordenen Petrus; die gesamte Musik verschwimmt, gerät wie außer Takt. Bach hat dafür gesorgt, dass wir – bis heute – nicht einfach wohlfeil unterhalten werden, sondern das gesungene Wort Gottes uns durch die Töne ins Innere treffen kann und muss. Die Choräle geben der Gemeinde Ruhepause, bieten Halt, um wieder innere Fassung zu gewinnen. Oder: Da ist der Seder-Abend am Passah-Fest ( Gründonnerstag). Mit seinen Jüngern feiert Jesus das Fest der Verschonung wie ganz Israel; doch der Jubel der Befreiungsnacht 2. Mose 14 verebbt, denn Jesus sieht schon: „Einer unter euch wird mich verraten.“ Ich kann die Reaktion der Jünger bis heute nicht ohne Tränen hören, denn das Nachfragen rechnet damit, dass es jeder aus Runde sein kann: „Herr, bin ichs?“ Menschen kreuzigen die Liebe Gottes. Diese Frage ist gar nicht weit weg von uns, sie geht an mich und Dich! Wenn wir leben, als ob es Gott nicht gäbe, ist das solches Verraten und Leugnen, oder wenn Gott nur noch zum Sahnehäubchen geworden ist.

Diese gesamte Musik Bachs hat mich im Glauben weit voran gebracht. Sie strengt Herz und Verstand an; ja, weil Glauben auch dazulernen heißt und Zumutungen beinhaltet. Wo die Theologie stirbt, sterben auch unsere Gebete.
Bach als Ausleger der Heiligen Schrift zeigt sich von großer Vollmacht. Ich habe Menschen unterschiedlichster Biografien kennengelernt, die sich wie Touristen mit einer Eintrittskarte in „ein Konzert“ von Bach setzen und sich etwas Ordentliches darbieten lassen wollten, und dies der Beginn ihres Glaubens wurde. Gerade auch musikalisch können wir mit Jesus „Bleiben, wachen und beten…“ Es ist hörendes Beten.

Bach hat auch ein Osteroratorium ( BWV 249 ) geschrieben: „Kommt eilet und laufet, entdecket die Höhle, die Jesum bedeckt“ Am Ende der Autografen steht bei Bach: „S.D.G.“ Soli Deo Gloria. Unter diese Zeilen schreibe ich: EG 83, 6. Strophe.

Mit freundlichen Grüßen Pfarrer Jörg Coburger